Vor 85 Jahren brannten in diesen Stunden des Abends und in der Nacht des 9. Novembers die Synagogen in unserem Land. Ein Tag des Grauens und der Schande, der leider nur die Vorstufe zu noch viel entsetzlicheren Verbrechen war.
An diesem Abend möchten wir von der VHRR ein Zeichen senden. Wir können die großen Krisen der Welt kaum beeinflussen, aber wir können das Miteinander um uns und in unserer Stadt prägen und gestalten.
Wir sind allgemein erschüttert und entsetzt, wie Hetze und Verachtung von Menschen aufgrund ihrer Religion im Zuge der Terroranschläge der Hamas seit dem 7.10.2023 so anwachsen, auch in unserer Stadt und unserem Land. Dass Jüdinnen und Juden gerade in Deutschland auch wieder aufgrund ihres Glaubens Angst haben, Häuser mit dem Davidstern markiert werden und etliche wohl auch überlegen, das Land zu verlassen, ist unerträglich. Wir als Vereinigung der Religionslehrkräfte, die besonders für den Dialog und das friedliche Miteinander von Religionen stehen, lehnen dies entschieden ab. Zugleich sehen wir mit Erschrecken, wie Zugewanderte und besonders Muslime auf einmal wieder oft pauschal unter einen Generalverdacht des „zugewanderten Antisemitismus“ gestellt werden und sich auch fragen, ob sie noch zu diesem Land gehören. Gerade für diejenigen, die sich seit Jahren für den Dialog und gegen radikale Entwicklungen einsetzen, sind diese Wochen und diese Vorwürfe besonders bitter und ungerecht. Gerade auch sie verdienen jetzt jede Unterstützung und Solidarität bei ihrem Einsatz für Dialog und Verständigung.
Wir schließen uns ausdrücklich der Erklärung des interreligiösen Forums der Stadt Hamburg an und sind dankbar, dass die wichtigen Akteure der Religionsgemeinschaften in Hamburg das Gespräch und das Miteinander suchen.
Eine persönliche Perspektive mit etwas Zuversicht möchte ich heute Abend anfügen:
Ein Klassenkamerad von einem Kind einer befreundeten israelischen Familie ist als Geisel jetzt im Gazastreifen gefangen. Fürchterlich. Monatelang waren unsere Freunde jede Woche auf den Demonstrationen gegen diese radikale Regierung Israels und engagierten sich für ein friedliches Miteinander in der Region. Jetzt steht dieser Einsatz vor einem Trümmerhaufen und sie sind sprachlos und verzweifelt. Aber: Allein, dass wir nachfragen und uns Zeit für Zoomkonferenzen mit ihnen nehmen, tut ihnen gut und sie sind enorm dankbar. Sie werden von uns gesehen. Es tut auch uns gut, wenigstens das leisten zu können.
Zugleich schaffen es Kollegen von mir, deren Familien aus Palästina stammen und erschütternde Bilder von dortigen zerbombten Stadtvierteln schicken, auch kaum, über das Thema zu reden. Aber auch sie sind doch froh, wenn wir nachfragen und zuhören und dieses Leid der Menschen in Gaza ebenso sehen. Einer sagte mir: „Danke für Dein Ohr.“
Das ist das Allererste und Einfachste, was wir jetzt tun können und müssen. Den Opfern und Leidenden zuhören. Das ist ein kleiner Schritt nach vorn.
Ein kleiner Tipp für den Unterricht: In zahlreichen Schülergesprächen – gerade mit Kindern aus zugewanderten Familien – zum Nahostkonflikt hat sich es sich hier sehr bewährt, ganz an den Anfang diese beiden Fragen zu stellen: 1. Welche persönliche Beziehung hast Du zu dem Thema? Kennt jemand betroffene Menschen? 2. Wie geht es Dir/Euch mit den Ereignissen? Diese Perspektive und der Austausch darüber, ohne gleich über die Politik und Schuldfragen zu reden, hat sehr oft eine ausgesprochen gute Atmosphäre geschaffen. Wir können der Spaltung etwas entgegen setzen.
Es ist wohltuend, die Bilder der Kerzen auf dem Hamburger Josef-Carlebach-Platz vor der ehemaligen Synagoge heute Abend zu sehen, die mir Ilka, unsere zweite Vorsitzende, eben geschickt hat.
Mein Vater erklärte mir einmal sehr erhellend, wie wichtig bei ihren Demonstrationen gegen die DDR-Regierung war, dass dort Kerzen getragen wurden. „Wer eine Kerze trägt, der kann nicht zuschlagen.“ Eine Folge auch dieses friedlichen Protestes war der Mauerfall – auch heute Abend, vor 34 Jahren. Wie gut, dass heute Abend in Hamburg Kerzen brennen. Es sollte aber nicht nur dabei bleiben. Wir überlegen auch, wie wir als Vereinigung weiter vorgehen und wo wir auch ggf. Kolleginnen und Kollegen unterstützen können.
Wer Anliegen/Fragen zum Thema hat oder Ideen und Wünsche, wo und wie wir als Vereinigung aktiv werden sollten, schreibe uns, oder komme zum nächsten Arbeitsausschuss als Gast online dazu: Am Donnerstag 16.11.2023, ab 19:30 Uhr werden wir uns auch Zeit für den Austausch zu diesem Thema nehmen. Link: https://us02web.zoom.us/j/82429878108?pwd=ZFdCWVkvM241VG5BRG01RHA4bXNuZz09
Benjamin Krohn, 1. Vorsitzender VHRR